Die unendliche Geschichte der Bauernmilliarde
Moin Leute,
am 11. Januar war es nun endlich soweit. Das erste Geld der Bauernmilliarde wurde „verteilt“. Und es war sehr schnell verteilt, sodass es nach wenigen Stunden schon nicht mehr möglich war, einen Förderantrag zu stellen. Die verantwortlichen Politiker feiern sich selbst für diesen „Erfolg“. Man habe einen Nerv getroffen, die Investitionsbereitschaft sei ein klares Standortbekenntnis der Landwirtschaft zu Deutschland und ähnliche Aussage wurden getroffen. Ohne genauer hinzuschauen oder die Dinge kritisch zu reflektieren, kann man das natürlich so sehen. So lebt es sich natürlich auch entspannter.
Warum ich dieses gesamte Förderprogramm kritisch sehe habe ich hier ja schon erläutert. Doch ich möchte noch ein paar Dinge ergänzen, die nach dem Start der ersten Förderperiode deutlich geworden sind.
- Das Ganze war zunächst eine technische Katastrophe. Die Webseite war ewig nicht aufrufbar, der Server ist immer wieder abgestürzt und einige Landwirte sind gar nicht dazu gekommen überhaupt einen Antrag zu stellen, da sie den ganzen Tag die Seite nicht erreichen konnten (als es dann ging war das Geld schon aufgebraucht und kein Antrag mehr möglich). Die Digitalisierung wird seitens der Politik als die Lösung aller Probleme gesehen und da ist es nicht mal möglich eine Seite am Laufen zu halten.
- Das sogenannte Windhundverfahren wurde angewendet. Also wer zuerst kommt malt zuerst. Wenn man mal drüber nachdenkt, dass es bei der Förderung ja darum geht Technik zu fördern, die den Einsatz von Pflanzenschutz- und/oder Düngemitteln reduzieren soll, um die Landwirte bei zukünftigen Herausforderungen wie der Düngeverordnung und ähnlichen zu helfen, muss man sich schon sehr am Kopf kratzen. Ein Beispiel: Die neue Düngeverordnung hat die sogenannten roten Gebiete hervorgerufen. In diesen Gebieten muss die Stickstoffdüngung nochmals um 20% reduziert werden. Besonders in diesen Gebieten ist es wichtig, die Düngemittel sehr effizient zu nutzen. Dabei kann natürlich auch moderne Technik helfen. Durch das Windhundverfahren kann es dazu kommen, dass nicht der Betrieb, der diese Technik braucht, zum Zuge kommt. Das als einen vollen Erfolg zu verbuchen, finde ich schon frech.
- Die Ankündigung des Ministeriums war sehr groß, dass mit dem Programm auch kleine Betriebe unterstützt werden sollen. Es hat sich gezeigt, dass sich für viele kleine Betriebe die Investition in so teure Technik nicht lohnt. Kleiner Betriebe werden benachteiligt und ausgeschlossen. So kommt das Geld nicht in die Fläche und der Effekt für Umwelt- und Klimaschutz geht gegen null. Ich betone diesen Punkt nochmal, da das Ministerium an eben diesem Umwelt- und Klimaschutz festhält.
Wenn niemand das Geld wirklich wollte, warum haben dann so viele versucht einen Antrag zu stellen?
Mit dieser Frage muss die Landwirtschaft sich kritisch auseinandersetzen. Auch ich habe mich teilweise sehr gewundert und auch mit einigen Berufskollegen heftig diskutiert. Ich möchte versuchen ein paar Erklärungen zu geben, warum so viele versucht haben eine Förderung zu bekommen.
- Bei einigen Betrieben stehen aktuell Investitionen in den geförderten Bereichen an, sodass hier natürlich das Geld mitgenommen wird.
- Die politische Unsicherheit ist sehr groß und wird immer größer. Viele haben das Gefühl, dass man sich auf die Politik nicht mehr verlassen kann. Es werden große Versprechungen gemacht, die aber oft nicht eingehalten werden. Wir können uns darauf verlassen, dass wir uns auf nichts mehr verlassen können. Dies Geld steht jetzt bereit und deswegen wollen es viele Landwirte auch jetzt nutzen.
Da die Bauernmilliarde über mehrere Jahre „verteilt“ werden soll und wie oben beschrieben der erste Teil des Geldes aufgebraucht ist, gibt es einen Antragstopp. Dieser könnte jetzt genutzt werden, um Anpassungen an dem gesamten Programm vorzunehmen. Doch anstatt dies zu tun, wird das Geld, das erst in den nächsten Jahren ausgeschüttet werden sollte, einfach jetzt schon bereitgestellt und somit das Förderprogramm unverändert weitergeführt.
Kritik und Verbesserungsvorschläge prallen ab oder gelangen gar nicht erst in die politische Blase. Das BMEL (Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft) und die Union haben nicht verstanden warum dies Förderprogramm und die Art der Umsetzung nicht sinnvoll und nachhaltig sind. Nur sehr wenige Politiker sind sich der tatsächlichen Situationen auf den Betrieben bewusst und verstehen, was wirklich nötig wäre um zu helfen.
Wenn man in seiner eigenen Blase bleibt, lebt es sich natürlich deutlich entspannter. Man schwebt über den Dingen, schaut von oben herab und hört nicht was außerhalb der Blase gesagt wird. Wir Landwirte können ein Lied davon singen.
Doch wenn es wirklich darum gehen soll Probleme zu lösen, zukunftsfähige Konzepte zu entwickeln und nachhaltig etwas zu bewirken, muss die Politik sich aus Ihrer Blase bewegen und sich mit den Menschen wieder auf Augenhöhe unterhalten.
Schöne Grüße
Euer Ackerbauer Phillip Krainbring
Viele Betriebe in Ostfriesland können gar nicht am digitalen Verfahren teilnehmen, da sie seit einem halben Jahr gar kein Internet mehr haben. Durch die Umstellung auf VoIP hat die Telekom viele ISDN Systeme abgeschaltet, was zur Folge hat, dass viele Betriebe in sehr ländlichen Regionen keinen Festnetzanschluss mehr haben. Zudem ist durch die schlechte Netzabdeckung in diesen Gebieten mobiles Telefonieren ein Abendteuer! So sieht Chancengleichheit 2021 aus!